Anhörungsbogen erhalten? So reagieren Sie richtig
Sie wurden geblitzt oder sind bei Rot über die Ampel gefahren? Dann droht im Anschluss ein Bußgeldverfahren. Kann das Vergehen nicht vor Ort – zum Beispiel durch Polizeibeamte – mit einem Bußgeld geahndet werden, erhalten Sie per Post einen Anhörungsbogen.
Was ist ein Anhörungsbogen?
Die Eröffnung des Verfahrens beginnt in den meisten Fällen mit der Zustellung eines Anhörungsbogens, in dem Sie Angaben zum Sachverhalt machen können. Allerdings erhalten Sie einen Anhörungsbogen nur dann, wenn das voraussichtliche Bußgeld mehr als 60 Euro beträgt. Kleinere Vergehen werden direkt mit einem Bußgeldbescheid geahndet.
Ein Anhörungsbogen soll Ihnen die Möglichkeit zu einer eigenen Stellungnahme geben. Darin können Sie die Umstände, wie es zu der Ordnungswidrigkeit kam, genauer beschreiben. Außerdem haben Sie die Möglichkeit, Zeugen für Ihre Darstellung zu nennen, die im Anschluss befragt werden können. Aber Vorsicht: Alle Angaben, die Sie im Anhörungsbogen machen, wirken sich im Anschluss auf Ihr Bußgeldverfahren aus – Sie sind also nicht dazu verpflichtet, sich selbst zu belasten.
Zusätzlich können Sie dem Anhörungsbogen auch alle relevanten Informationen zum Tatbestand entnehmen. Wurden Sie zum Beispiel geblitzt, so nimmt der Anhörungsbogen Bezug auf die exakte Geschwindigkeitsüberschreitung, den Standort des Blitzers und enthält ggf. auch das Beweisfoto.
Müssen Sie einen Anhörungsbogen ausfüllen?
Grundsätzlich sind Sie nicht dazu verpflichtet, im Anhörungsbogen Angaben zum Sachverhalt zu machen. Dennoch können Sie nicht das Zurückschicken des Anhörungsbogens umgehen oder gar das Schreiben in den Papiermüll werfen. Denn einige Angaben sind durchaus verpflichtend und dienen der Prüfung von personenbezogenen Daten. So müssen Sie Angaben zum Fahrzeugführer machen, der den Verkehrsverstoß begangen hat. Name, Adresse, Geburtsort und Staatsangehörigkeit sind Pflichtangaben, die im Anhörungsbogen gemacht werden müssen.
Wurde der Bogen bereits maschinell vorausgefüllt, müssen falsche Personenangaben von Ihnen korrigiert werden. Kommen Sie dieser Verpflichtung nicht nach, droht ein zusätzliches Bußgeld von bis zu 1.000 Euro.
Alle weiteren Angaben im Anhörungsbogen sind freiwillig. Welche Angaben verpflichtend sind und welche von Ihnen nicht zwingend ausgefüllt werden müssen, können Sie auch dem Anhörungsbogen selbst entnehmen.
Sofern Sie Angaben im Anhörungsbogen machen möchten, sollten Sie nur Informationen preisgeben, die Sie entlasten. Das gilt insbesondere für die Frage nach dem Fahrer des Kraftfahrzeuges: Sind Sie nicht selbst gefahren, können Sie im Anhörungsbogen Angaben zu der Person machen, die zum Tatzeitpunkt das Auto führte. Handelt es sich dabei um nahe Verwandte, verlobte oder verschwägerte Personen, sind Sie nicht dazu verpflichtet, Angaben zur Person zu machen. Hier profitieren Sie also vom Zeugnisverweigerungsrecht.
Aber: Geben Sie dennoch an, nicht selbst Fahrzeugführer gewesen zu sein, um die Vorwürfe gegen Ihre Person zu entkräften.
Was passiert, wenn Sie falsche Angaben im Anhörungsbogen machen?
Haben Sie nachweislich und absichtlich falsche Angaben im Anhörungsbogen gemacht, so können Sie mit einer zusätzlichen Strafe rechnen. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn Sie die Strafe abwenden wollen, indem Sie einen anderen Fahrer angeben – obwohl diese Person gar nicht der Fahrer des Kraftfahrzeuges war.
Im Anschluss entscheidet hier das zuständige Gericht über das Strafmaß für die Falschaussage. In den meisten Fällen droht eine zusätzliche Geldstrafe, aber auch eine Freiheitstrafe von bis zu fünf Jahren ist möglich.
Welche Auswirkungen hat der Anhörungsbogen auf die Verjährung der Ordnungswidrigkeit?
Ab dem Zeitpunkt der Tatbegehung beträgt die Verjährungsfrist für Verkehrsordnungswidrigkeiten drei Monate. Trifft der Bußgeldbescheid innerhalb dieser Zeit bei Ihnen ein, so ist er rechtsgültig. Die Frist gilt jedoch nur für die Person, die im Anhörungsbogen namentlich genannt wird. Handelt es sich bei dieser Person nicht um den Fahrer des Wagens, so bleibt die Verjährungsfrist für den eigentlichen Verkehrssünder unberührt.
Wird Ihnen der Bußgeldbescheid erst nach den drei Monaten zugestellt, so gilt die Tat als verjährt und ist nicht mehr verfolgbar.
Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG wird die Frist für die Verjährung der Ordnungswidrigkeit durch den Anhörungsbogen unterbrochen. Mit der Versendung des Anhörungsbogens beginnt die Verjährungsfrist grundsätzlich wieder von vorne und beträgt ab diesem Zeitpunkt erneut drei Monate. Fehlt der Tatvorwurf oder ist er nicht eindeutig gegen den Empfänger gerichtet, bedeutet der Anhörungsbogen für die Verjährung keine wirksame Unterbrechung.
Gut zu wissen: Nur eine einmalige Unterbrechung der Verjährungsfrist ist möglich. Wurden Sie bereits vor Ort zum Tatgeschehen von den zuständigen Polizisten befragt, so unterbricht der zusätzliche Anhörungsbogen die Verjährungsfrist ebenfalls nicht.
Außerdem gilt die Verjährungsfrist des Bußgeldverfahrens immer nur für die Person, die im Anhörungsbogen namentlich genannt wurde. Handelt es sich bei dieser Person nicht um den Fahrer des Wagens, so bleibt die Verjährungsfrist für den Täter unberührt. Erst wenn den zuständigen Behörden der Name des eigentlichen Fahrers bekannt wurde, beginnt auch hier die Verjährungsfrist von drei Monaten.
Was tun, wenn Sie keinen Anhörungsbogen erhalten haben?
Wenn Sie keinen Anhörungsbogen erhalten haben, ist dies zunächst kein Grund zur Sorge. Die zuständigen Behörden haben insgesamt drei Monate Zeit, Ihnen den Anhörungsbogen zuzusenden – erst danach tritt die Verjährung ein. Erhalten Sie während dieser drei Monate den Anhörungsbogen, so beginnt die Verjährungsfrist erneut. Wird Ihnen in der Zeit weder ein Anhörungsbogen noch ein Bußgeldbescheid zugestellt, so gilt die Ordnungswidrigkeit als verjährt.
Sofern Sie keinen Anhörungsbogen erhalten haben, dafür aber direkt einen Bußgeldbescheid zugestellt bekamen, haben Sie dennoch die Möglichkeit, gegen den Bußgeldbescheid vorzugehen. Sie können Einspruch gegen den Bescheid einlegen und dem Schreiben eine Begründung hinzufügen, ähnlich wie es bei einem Anhörungsbogen der Fall wäre.
Was ist, wenn Sie geblitzt wurden und im Anhörungsbogen das Blitzerfoto fehlt?
In Deutschland gilt die Fahrerhaftung – nicht die Halterhaftung. Konkret bedeutet dies, dass ein Bußgeldbescheid wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung immer der Person zugestellt werden muss, die tatsächlich am Steuer saß.
Kann die Person jedoch nicht ermittelt werden, so erhält zunächst der Halter des Fahrzeugs den Anhörungsbogen, um darin Angaben zum Fahrer machen zu können.
Liegt dem Anhörungsbogen jedoch kein Blitzerfoto bei, ist die eindeutige Identifikation des Fahrers schwierig. Sie können daher, wenn Sie geblitzt wurden, ohne ein Foto zu erhalten, binnen einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung des Anhörungsbogens Akteneinsicht fordern.
Dennoch: Auch wenn das Blitzerfoto im Anhörungsbogen fehlt, ist der Bußgeldbescheid nicht zwangsläufig ungültig. Liegen andere Beweise vor, zum Beispiel ein Lasermessungsprotokoll für die Geschwindigkeitsüberschreitung, so ist der Bescheid an sich grundsätzlich rechtskräftig. Sie haben allerdings binnen einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung des Bußgeldbescheides die Möglichkeit, Einspruch gegen die Entscheidung zu erheben.
Wir helfen Ihnen, den Anhörungsbogen ordnungsgemäß auszufüllen
Sie haben einen Anhörungsbogen erhalten und sind nicht sicher, worauf es beim Ausfüllen ankommt? Damit Sie sich nicht selbst belasten und nur Informationen preisgeben, die Ihrer Entlastung dienen, können Sie sich als ACV Mitglied an unseren Partner KLUGO wenden, der Sie mit Partner-Anwälten und Rechtsexperten verbindet.
Im Rahmen der kostenlosen, rechtlichen Erstberatung wirft ein Fachanwalt einen Blick auf den Sachverhalt und gibt Ihnen eine erste Einschätzung zu Ihren Möglichkeiten. Sie entscheiden im Anschluss selbst, ob Sie den Anhörungsbogen gemeinsam mit einem Fachanwalt ausfüllen möchten oder lieber keine Angaben machen. Hier geht’s zur Rechtsberatung für ACV Mitglieder.
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