Die Erwin Hymer Group war auf dem diesjährigen Caravan Salon nicht vertreten. Welche Neuheiten, welcheTrends stehen für Sie im Fokus für die kommende Saison 2021?
Für die Erwin Hymer Group steht die Gesundheit und Sicherheit ihrer Mitarbeiter und Kunden an erster Stelle. Die Gruppe hat daher die Entscheidung getroffen, 2020 europaweit auf Messeteilnahmen zu verzichten. Stattdessen wenden wir uns unter dem Motto „Slow Travel – Bewusst Reisen“ europaweit digital an unsere Kunden. Der Fokus liegt auf selbstbestimmtem und entschleunigtem Urlaub mit Reisemobil, Caravan und Camper Van – und dem Besuch bei unseren Handelspartnern, wo Hygiene und Abstandsregeln leichter einzuhalten sind. Erstmals in der Caravaning-Branche erfolgt die Kommunikation der Marken mit ihren Zielgruppen und Handelspartnern so konsequent über digitale Kanäle und leitet Caravaning-Interessierte direkt zum Handelspartner ihrer Wahl.
Produktseitig ist der „iSmove“ der Marke Niesmann+Bischoff ein Highlight der kommenden Saison. Das vollintegrierte Reisemobil setzt innovative Impulse und bricht mit zahlreichen Grundsätzen der Branche. Der iSmove vereint ein gesamtheitliches Gestaltungskonzept mit kreativen Detaillösungen. Dazu gehören unter anderem ein elektrisch versenkbares Küchenregal, eine drehbare Gurtsitzbank, ein Hubbett, das vollständig in der Decke verschwindet und eine Schiebemechanik, die den Platz für Dusche und WC doppelt nutzbar macht. Das Ergebnis ist ein 3,5-Tonner mit einem großzügigen Raumgefühl bei kompakten Außenabmessungen – und Komfort, der bisher in dieser Klasse nicht zu finden war.
Außerdem wird die „System Control Unit“ (SCU) neue Maßstäbe in Sachen Vernetzung und Konnektivität im Reisemobil setzen. Sie steuert über eine App via Bluetooth oder Mobilfunk zentrale Funktionen wie Heizung, Klimatisierung oder Kühlschranktemperatur und überwacht die Füllstände von Batterien und Wassertanks. Der modulare Aufbau des Systems ermöglicht unterschiedliche Funktionsumfänge. Die Auslieferung erster Fahrzeuge mit SCU ist für Anfang 2021 geplant.
Die Marke Dethleffs hat eine Vorreiterrolle innerhalb der Hymer Group, was innovative Antriebe betrifft. Was ist aus den Projekten e.home und e.home coco geworden?
Dethleffs hat sich schon 2017 – als erster namhafter Hersteller von Freizeitfahrzeugen – mit der Studie e.home dem Thema „Elektromobilität“ in der Caravaning-Branche gestellt. Dabei wurde deutlich, dass das Thema Reichweite dem vollelektrischen Reisemobil derzeit noch im Weg steht. Eine echte Alternative stellt der 2019 vorgestellte Globevan e.Hybrid dar, dessen Antrieb lokal emissionsfreies Fahren mit reisetauglicher Reichweite kombiniert. Derzeit planen wir erste Kundentestfahrten. Je nach Rückmeldungen werden wir den Serienstart forcieren.
Für Caravans hat Dethleffs mit dem e.home Coco eine Lösung gezeigt, die Fahrer von Elektroautos ermöglichen soll, auch weiterhin Urlaub mit dem Wohnwagen zu machen. Der Wohnwagen mit eigenem E-Antrieb befindet sich aktuell in der Testphase. Eine für Sommer 2020 geplante Alpenüberquerung musste aufgrund der aktuellen Situation verschoben werden. Sowohl bei Dethleffs als auch bei Entwicklungspartnern wie ZF galten in Zeiten der Pandemie andere Prioritäten.
Für einen Caravan mit eigenem Antrieb stehen aber außer technischen auch Genehmigungsfragen an: von der Führerscheinthematik bis hin zu Europäischen Zulassungsrichtlinien. Diese Themen diskutieren wir in der Arbeitsgruppe „eMobilität & Anhänger“ des Bundesverbandes für Elektromobilität (BEM). Die Erwin Hymer Group ist seit vergangenem Jahr Mitglied und arbeitet gemeinsam mit den Behörden intensiv an praktikablen und zukunftsorientierten Lösungen.
Die Übernahme durch Thor Industries ist schon eine Weile her. Wird die Erwin Hymer Group hierzulande den Import der Marke Airstream übernehmen? Gibt es Trends aus den USA, die sich in Europa niederschlagen werden?
Für den legendären Wohnwagen „Airstream“ sehen wir durchaus Potenzial in Europa. Umgekehrt planen wir, hochwertige Produkte aus dem EHG-Portfolio in den Vereinigten Staaten anzubieten. Beim ersten Feedback zeigten sich die US-Händler begeistert von der hochqualitativen und präzisen Verarbeitung.
Die ursprünglich für das vierte Quartal 2020 geplante Produktion von europäischen Fahrzeugen bei „Hymer USA“ in Bristol verfolgen wir jedoch vorerst nicht weiter. Erhebliche und anhaltende Verzögerungen durch die Coronavirus-Pandemie und neue Herausforderungen, sowohl in der Lieferkette als auch bei den Arbeitskräften, verhindern vorerst den Aufbau einer lokalen Infrastruktur. Für europäische Fahrzeugkonzepte werden wir stattdessen die bestehenden Produktionsstätten und Vertriebsstrukturen von Thor nutzen.
Trendthema Kastenwagen: Sehen Sie es auch so, dass sich durch dieses Segment die Käufergruppen verjüngen? Warum boomt dieses Segment eigentlich so? Wie sehen die typischen Kunden in diesem Segment aus, speziell auch mit Bezug auf die Crosscamp-Modelle?
Mit einem Anteil von inzwischen 40 Prozent werden Camper Vans – und damit auch deren besonders kompakte Vertreter – im boomenden Reisemobil-Markt immer wichtiger. Urbanisierung, Individualisierung und das veränderte Mobilitätsverhalten spielen dabei eine Rolle. Vor allem aber auch die Tatsache, dass die Millennials zunehmend das Camping als Urlaubsform entdecken, wenn auch in anderer Form als von traditionellen Campern praktiziert. In den USA machen Millennials – die zwischen 1980 und den späten 1990ern Geborenen – inzwischen mehr als 40 Prozent der Camper aus. Allein 2018 ist dort die Anzahl der Camper um 1,4 Millionen Haushalte gewachsen – 56 Prozent davon gehören zur „Generation Y“. Vor allem in den sozialen Medien avancieren Camper Vans zu Ikonen des individuellen Erlebnis-Trips. Unsere Marke CROSSCAMP bringt zwei entscheidende Motive dieser Generation zusammen: das urbane Gefühl und die Sehnsucht nach draußen.
Ähnlich wie beim „Tiny-Housing“-Trend geht es darum, möglichst viel Lebensqualität auf kleinstmöglichem Raum unterzubringen, was beim CROSSCAMP Schlafkomfort für bis zu vier Personen auf nur 4,95 Meter Außenlänge bedeutet. Das beschert dem Camper Van eine enorme Flexibilität: einerseits die volle Erstwagen-Tauglichkeit, vom Parken in der Tiefgarage bis zur Nutzung als Transporter für den Großeinkauf, und andererseits die Möglichkeit zum Ausbruch aus dem Alltag – etwa zur spontanen Strand-Übernachtung an der Ostsee.