Gebrauchtwagenexperte Det Müller im Interview
ACV: Erst mal die Gretchenfrage an den Gebrauchtwagen-Profi: Haben Sie jemals einen Neuwagen gekauft?
Det Müller: Nee, noch nie, weil ich den Wertverlust einfach nicht einsehe. Man kann sehr gute gepflegte Gebrauchte bekommen, und da kann man sehr viel Geld sparen.
ACV: Würden Sie angesichts des Wertverlusts in den ersten Jahren überhaupt empfehlen, sich einen Neuwagen zu leisten?
Det Müller: Pauschal kann man sagen: Nach drei Jahren ist der Wagen nur noch die Hälfte wert. Und so einen Wertverlust akzeptiere ich sehr ungern. Dementsprechend rate ich davon ab, neu zu kaufen.
ACV: Grundsatzfrage: Kauft man besser beim Händler oder von privat?
Det Müller: Ein Kenner der Materie kann auch beim Privaten erfolgreich sein. Beim Händler muss man natürlich immer damit rechnen, dass er selbst noch mal seinen Gewinn draufschlägt. Günstiger ist es also beim Privaten. Aber man kann beim Händler auch noch Versicherungen abschließen, die einem dann langfristig eventuell im Schadensfall zugute kommen.
ACV: Mal angenommen, das gleiche Auto kostet beim Händler 10 000 Euro, von privat 9000 Euro. Welches würden Sie nehmen?
Det Müller: Es ist immer zustandsabhängig: Ist der Service perfekt? Ist er lückenlos? Wurden Verschleißteile schon erneuert? Also ich sag mal so: Das heißt nicht, dass man gleich den besseren Wagen hat, wenn man vom Händler kauft. Auch ein Privatmann hegt und pflegt sein Fahrzeug, wenn er drauf abfährt, wenn er darauf steht. Es ist also reine Kenntnis und natürlich Mängeldurchsicht, in welchem Zustand sich der Wagen befindet, was im Service gemacht wurde. Pauschalisieren kann man so was nicht.
ACV: Wie lauten Ihre wichtigsten Grundregeln beim Kauf eines Gebrauchten?
Det Müller: Sich Zeit nehmen, Informationen einholen, mit der Materie beschäftigen. Und: ohne Probefahrt kein Kauf!
ACV: Und beim Verhandeln?
Det Müller: Da muss man erst einmal die Psyche des Verkäufers einschätzen. Daraufhin kann man gucken, wie weit man ihn belasten kann. Das hängt wirklich von der Person ab. Und wenn ich Mängel feststelle, ziehe ich sie direkt vom Kaufpreis ab – was die Reparatur kostet, das geht gleich runter. Und dann mache ich ihm ein Angebot.
Beim Kauf eines Gebrauchten heißt es, sich Zeit nehmen, Informationen einholen und: Ohne Probefahrt kein Kauf!
Det Müller, Gebrauchtwagenexperte
ACV: Gibt es noch Autos, die häufig unter ihrem eigentlichen Wert verkauft werden?
Det Müller: Unter Wert verkauft? Gar keine! Meine Meinung ist: Die Fahrzeuge sind eh viel zu teuer – ob es beim Neuwagenkauf ist oder beim Gebrauchten.
ACV: Gibt es in Zeiten des Internets noch echte Schnäppchen?
Det Müller: Absolute Schnäppchen, also Fahrzeuge aus erster Hand vom Opa, an denen keiner dran war, und dann noch topgepflegt – die Zeiten sind eigentlich vorbei. Dass man da jetzt noch einen Schnapper kriegt, kann man fast vergessen. Weil: Jeder kann einfach mit einem Doppelklick feststellen: Mensch, was für ein Baujahr habe ich, bei welcher Laufleistung? Guckt einmal im Netz nach, zack, da hat er‘s. Also: Günstige Fahrzeuge reißt meist schon der Händler, und dass man von privat noch mal was kriegt – vielleicht mal aus der Verwandtschaft, sonst sehe ich da schwarz.
ACV: Prüforganisationen und Sachverständige bieten Gebrauchtwagengutachten an. Ist darauf mehr Verlass als auf den gesunden Menschenverstand oder den eines Bekannten, der sich mit Autos auskennt?
Det Müller: Viele Händler versuchen ja, mehr Sicherheit in ihrer Annonce zu bringen, sodass sie sagen, Mensch, du, ich habe ein Gebrauchtwagensiegel drauf. Und dazu kann ich nur sagen: Die Wenigsten machen eine großartige Probefahrt, sondern gucken einfach nach, wie die Bremsscheiben sind, ob die an der Verschleißgrenze sind, es Probleme in Sachen Rost gibt, und dann gehen sie einmal ringsherum. Natürlich hilft das. Kostet meist 100 Euro, wenn so ein Siegel erstellt wird. Aber letztendlich geht nichts ohne Probefahrt. Und ohne Sachverstand keine Sicherheit, auch wenn ein Privater ein Auto kaufen will.
Die Zeit der Schnäppchen ist vorbei.
Det Müller, Gebrauchtwagenexperte
ACV: Welche Macken werden am häufigsten vertuscht?
Det Müller: Roststellen, ganz klar! Es wird natürlich immer ausgeschliffen und anlackiert und gespachtelt und getan. Das ist immer noch günstiger, als komplett neue Karosserieteile zu ersetzen. Und da muss man halt aufpassen: Ist die Kiste eigentlich schon komplett verfault und nur einfach übergeduscht, um den Anschein zu erwecken, dass es noch ein fitter Wagen ist? Oder geht es in Richtung Betrug, war es ein Unfallwagen und wurde nur schlecht gerichtet? Da geht es um Verkehrssicherheit, da muss man aufpassen.
ACV: Vielen Dank für das Interview!
ACV Mitglieder haben zwei Möglichkeiten, Informationen über den Zustand ihres Fahrzeuges vergünstigt oder sogar kostenlos zu erhalten.
- Wem eine einfache Bewertung des Fahrzeuges anhand von Daten wie Erstzulassung, Kilometerstand und Ausstattung reicht, kann als ACV Mitglied eine kostenlose Fahrzeugbewertung anfordern. Der ACV ermittelt dann den aktuellen Händler-Einkaufswert des Wagens.
- Besonders attraktiv für Clubmitglieder ist das ausführliche Wertgutachten des TÜV Rheinland: Gegenüber dem regulären Preis von 150 Euro bekommen Mitglieder bei Vorlage der ACV Clubkarte einen Rabatt in Höhe von 25 Prozent. Das Angebot gilt für Zweiräder und Pkws in den Bundesländern Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland. Details zu den Vorteilen für ACV Mitglieder finden Sie hier. Bei Interesse können Sie hier Kontakt zum TÜV Rheinland aufnehmen.
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