Interview mit Peter Frieß
Die Fokus Zukunft GmbH hat den ACV auf dem Weg zur Klimaneutralität unterstützt. Geschäftsführer Peter Frieß erklärt, warum jeder beim Klimaschutz Verantwortung übernehmen sollte.
Herr Frieß, was bedeutet Klimaneutralität?
Der Begriff „klimaneutral“ wird im Allgemeinen verwendet, wenn die entstandenen Emissionen durch eine Maßnahme (Reduktion oder Kompensation) ausgeglichen wurden. Dazu wird zunächst der CO2-Fußabdruck eines Unternehmens oder eines Produkts berechnet. Für mögliche CO2-Einsparungen werden kosteneffiziente Maßnahmen vorgeschlagen und unvermeidbare CO2-Emissionen werden durch internationale Klimaschutzprojekte ausgeglichen. So kann durch Kompensation der unvermeidbaren CO2-Emissionen eine Klimaneutralität erreicht werden.
Warum werden klimaschädliche Emissionen kompensiert?
Die Weltgemeinschaft hat sich darauf geeinigt, dass die Erderwärmung auf unter 2 Grad Celsius – besser noch auf 1,5 Grad – beschränkt werden muss, um katastrophale Folgen zu verhindern. Doch die derzeitigen Zusagen der einzelnen Staaten reichen nur für eine Beschränkung der Erwärmung auf maximal 4 Grad. Um diese Ambitionslücke zu schließen, bedarf es eines zusätzlichen und erheblichen Engagements von Unternehmen, sowie Bürgerinnen und Bürgern. Da es derzeit noch nicht möglich ist Treibhausgase gänzlich zu vermeiden, können entstandene CO2-Emissionen durch die Unterstützung von Klimaschutzprojekten an einem anderen Ort kompensiert werden.
Wäre die Vermeidung von CO2 nicht sinnvoller als der Weg über die Zertifikate?
Die Kompensation von CO2 über Zertifikate kann nur die zweitbeste Lösung sein. Es ist natürlich immer besser, wenn Treibhausgase erst gar nicht entstehen. Jedoch ist eine gewisse Menge an Treibhausgasen aktuell durch unsere Lebens- und Wirtschaftsweise unvermeidbar. Beispielsweise gibt es keine emissionsfreien Abschleppfahrzeuge, weshalb auch für den ACV eine gewissen Menge an Emissionen für den Geschäftsbetrieb hier derzeit unvermeidbar ist.
Wie kommt es, dass in Entwicklungsländern investiert wird anstatt vor Ort?
Da der Klimawandel global ist, spielt es keine Rolle wo CO2-Emissionen ausgestoßen oder eingespart werden, am Ende ist die Summe der Treibhausgase entscheidend. In Deutschland ist die Kompensation von CO2 sehr teuer, in Schwellen- und Entwicklungsländern hingegen ist der Ausgleich günstiger. Deshalb sollen laut Kyoto-Protokoll sogenannte Klimaschutzprojekte, die Treibhausgasemissionen vermeiden oder speichern, dort stattfinden, wo sie am wirtschaftlichsten sind. Dementsprechend gibt es viele Projekte in Schwellen- und Entwicklungsländern. Dennoch können natürlich zusätzlich regionale Klima- und Umweltschutzprojekte, wie z.B. heimische Waldprojekte oder Blüh- und Bienenpatenschaften unterstützt werden.
Wie wichtig ist es, dass sich vor allem Unternehmen aktiv für Klimaneutralität einsetzen?
Ein Gelingen der globalen Emissionsminderungen hängt ganz wesentlich von dem freiwilligen und konsequenten Handeln der Wirtschaft in den Industrieländern ab. Im Rahmen der Geschäftsaktivitäten von Unternehmen entstehen große Mengen an Treibhausgasen, z.B. bei der Produktion und dem Transport von Gütern und Waren, Geschäftsreisen, Strom- und Wärmeverbrauch. Klimaneutrale Unternehmen leisten einen wichtigen Beitrag die Klimaziele der Regierung, der EU und der Vereinten Nationen zu erreichen und fördern mit ihrem Engagement die Bewusstseinsbildung von Mitarbeitern, Lieferanten und Kunden hinsichtlich des Umgangs mit endlichen Ressourcen.
Worauf muss man achten, um Klimaneutralität nachhaltig zu erreichen?
Klimaneutralität durch den reinen Erwerb von Klimaschutzzertifikaten ist noch nicht ausreichend. Es gilt neben der Kompensation die konsequente Reduktion der eigenen Emissionen voranzutreiben. Aus diesem Grund ist es empfehlenswert eine langfristige und weitgreifende Klimaschutzstrategie im Unternehmen zu erarbeiten und konsequent umzusetzen. Neben den klimatischen Auswirkungen spielen hier auch andere ökologische sowie soziale Aspekte eine Rolle. Auch bei dem Erwerb von Klimaschutzzertifikaten ist darauf zu achten, dass die Projekte einen positiven sozialen Effekt am jeweiligen Standort erzeugen.
Woran erkennt man ein seriöses Klimaschutzprojekt?
International anerkannte Klimaschutzprojekte sind nach VCS (Verified Carbon Standard), UN CER (Certified Emission Reduction der Vereinten Nationen) oder Gold Standard (vom WWF entwickelt) akkreditiert, freigegeben und kontrolliert. Die Validierung der Projektergebnisse, in Bezug auf die erzielten CO2-Einsparungen, wird durch unabhängige Prüfinstanzen, wie beispielsweise den TÜV, bescheinigt.
Welchen Beitrag müssen Unternehmen/Privatpersonen leisten, damit die Klimaziele von Paris erreicht werden können?
Um das 1,5°C Ziel des Pariser Klimaabkommen zu erreichen, müssen alle Akteure aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft Verantwortung übernehmen. Das heißt, jeder ist in seinem Bereich angehalten den CO2-Fußabdruck so gering wie möglich zu halten und entsprechende Reduktions- und Ausgleichsmaßnahmen vorzunehmen. Sowohl im privaten als auch beruflichen Alltag können bereits kleine Verhaltensänderungen wie z.B. reduzierter Fleischkonsum, Nutzung von öffentlichen Verkehrsmittelen, korrekte Mülltrennung u.v.m. in der Masse einen großen Effekt erzielen.
Wie sensibilisiert ist die Bevölkerung zum Thema klimaschonend leben?
Die Folgen der Erderwärmung werden immer spürbarer und der Handlungsdruck auf Politik und Unternehmen wächst – nicht zuletzt durch Bewegungen wie Fridays for Future, die zahlreiche Unterstützer aus der Bevölkerung hat. Das Bewusstsein um die Problematik Klimawandel ist mehr denn je vorhanden und das gesellschaftliche Engagement für Klimaschutz nimmt in den letzten Jahren sichtbar zu. Dennoch bedarf es noch mehr Lösungen und kreative Ideen, damit jede Bürgerin und jeder Bürger auf eine klimaschonende Lebensweise umstellen möchte und kann.